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Gruppenarbeit

„Buenos días, tío Max!“ Spätestens jetzt bin ich hellwach. Arme werden mir entgegengestreckt, elf Augenpaare blicken mich erwartungsvoll an und die lautstarke Begrüßung klingt noch nach. Ganz klar: Es wird meine Antwort erwartet! „Buenos días, niños. Cómo están?“ Obwohl gerade halb so laut wie der Begrüßungschor, wird meine Antwort trotzdem von allen beantwortet: „Bien!“. Ich lächele, hänge meine Tasche an den Haken und begrüße meine Tía. Ein neuer Tag in der Fundación Esperanza beginnt.

Seit vier Wochen arbeitete ich nun in einer Vorschulgruppe mit 11 Kindern. Sie sind 4 bzw. 5 Jahre alt. Eine Ausnahme bildet Lizbeth, die als einziges behindertes Kind der Gruppe mit 11 Jahren deutlich älter ist. Die Lehrerin (in der Fundación Tío/Tía = Onkel/Tante genannt) der Gruppe ist Veronica, gerufen Verito. Meine Aufgabe ist es, ihr ganz allgemein, insbesondere aber mit Lizbeth zu helfen. Lizbeth hat eine leichte geistige Behinderung, was sie im Wesentlichen in ihrer Fähigkeit zu sprechen und sich zu konzentrieren einschränkt.

Um 9:00 Uhr beginnt mein Arbeitstag in der Fundación. Zu diesem Zeitpunkt haben die Kinder bereits gefrühstückt und der Unterricht beginnt. Alle Kinder stehen auf und wiederholen im Chor Wochentag und Datum und sagen das ‚Jahresmotto‘ auf: „Yo soy bueno y soy capaz hago esto y mucho más“ (etwa: Ich bin gut/stark und bin imstande, dieses und noch viel mehr zu schaffen). Besonders das Motto wird voller Inbrunst und mit unterstützenden Gesten vorgetragen. Außerdem stellt Tía Verito Fragen zu den aktuellen Unterrichtsthemen und die Kinder antworten im Chor.

Im Moment lernen wir mit den Kindern die Vokale, gerade heute haben wir mit dem E begonnen, nachdem wir eineinhalb Wochen das A in verschiedensten Formen kennengelernt haben. Für jeden Vokal gibt es eine Reihe von Beispielwörtern, die die Kinder durch häufiges Wiederholen auswendig lernen. In vielen verschiedenen Übungen lernen sie dann den Vokal in diesen und später auch in fremden Wörtern zu erkennen. Eine typische Aufgabe wäre etwa, aus einer Zeitschrift alle As herauszuschneiden und die Schnipsel dann in ihrem Heft zu einem großen A zusammenzufügen.

Aber halt, das hört sich jetzt vielleicht leichter an, als es tatsächlich ist! Was da auf dem Weg nicht alles an Hindernissen lauert, mögen sie nun echt sein oder auch nur so scheinen. Wie schnell ist nicht der Kleber alle oder man kann scheinbar in einer ganzen Zeitschrift kein einziges A mehr entdecken. Ist die Situation einmal so verfahren, was liegt da näher, als sich endlich ganz auf die Unterhaltung mit dem Nachbarn zu konzentrieren. Für den anderen Lösungsansatz – Kleber nachfüllen und noch mal genau nachschauen – stehen Tía Verito und ich. Und weil das mit dem freien Willen so eine Sache ist, drängen wir uns auch manchmal ein wenig auf.

Eine Arbeitsphase dauert zwischen 30 und 45 Minuten, danach folgt eine Spielphase oder ein anderer Unterricht wie Musik, Englisch, Sport oder Computerunterricht (jeweils 30min). Um 12:00 Uhr gibt es Mittagessen, danach spielen die Kinder eine halbe Stunde im Park. Nach dem Zähneputzen wird noch einmal an einer Übung gearbeitet (14:00 Uhr) und dann folgt eine längere Spielphase. Der Tag endet mit einer kleinen Erfrischung (Obst oder ein Getränk) und der Verabschiedung, bei der Geschichten aus der Bibel erzählt und Lieder gesungen werden (16:00 Uhr).

Es ist schwer zu sagen, was mir mehr Spaß macht: der direkte Kontakt mit den Kindern oder das Beobachten. Die beste Verbindung aus beidem bietet das Mittagessen. Während ich im wahrsten Sinne alle Hände voll zu tun habe Vorspeise, Hauptgericht und Nachtisch zu verteilen und die leeren Teller wieder einzusammeln, bleibt mir doch noch genügend Zeit für Beobachtungen. Ohnehin Teil meiner Aufgabe, machen mir gerade die Beobachtungen Spaß, die ich nicht durch eine Ermahnung unterbrechen muss. Wie oft werden da Späße gemacht, kleinere Stöße verteilt und Mutmaßungen über etwaige Heiratsabsichten ausgesprochen! Und wieder ist so Vieles interessanter und spannender als die langweilige Essensaufnahme, zu der einen der Tío fortwährend animiert. Und überhaupt, macht ihm das ständige Ermahnen eigentlich selber Spaß?

Eines ist jedoch sicher: Meine neue Arbeit in der Gruppe gefällt mir sehr viel besser, als die Mischung der Aufgaben, die ich vorher hatte. Die Abwechslung der ersten Monate hatte auch ihren Reiz, dennoch gefällt mir gerade die Konstanz der Gruppenarbeit. Jeden Tag lerne ich die Kinder ein bisschen besser kennen; fühle mich ein Stück wohler, wenn ich morgens in die Klasse komme. Und wenn Lizbeth den Stuhl neben sich zurückzieht und lächelt, weiß ich, was das Beste an meiner neuen Aufgabe ist: Ich habe meinen Platz in der Fundación gefunden!

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